Beschluss des Berliner Verfassungsgerichtshofes vom 14.11.2012 –Az.: VerfGH 8/11– www.juris.de
Sachverhalt:
Der Beschwerdeführer– ein Grundstückseigentümer eines Einfamilienhauses in Berlin– hat gegen die Neuregelung des § 6 des Straßenreinigungsgesetzes Berlin (StrReinG Berlin) Verfassungsbeschwerde eingelegt. Er hat vor allem geltend gemacht, er könne die ihm auferlegte Verantwortlichkeit für die Durchführung des Winterdienstes nicht mehr umfassend auf einen Dritten übertragen. Weiter machte der Grundstückseigentümer geltend, dass sobald mit Schneefall zu rechnen ist, er sich nun nicht mehr ohne Haftungsrisiko aus Berlin entfernen könne. Da er sich jedoch häufig außerhalb von Berlin aufhält, werde er in seiner Reisefreiheit behindert.
Rechtlicher Hintergrund:
Ausgangspunkt ist § 6 des Straßenreinigungsgesetzes Berlin (StrReinG Berlin):
§ 6 StrReinG Berlin –Beauftragung Dritter–
(1) Die nach § 4 Absatz 4 verpflichteten Anlieger können durch privatrechtliche Vereinbarungen Dritte mit der Durchführung des Winterdienstes beauftragen. Sie müssen unverzüglich eine geeignete Person mit der Durchführung des Winterdienstes beauftragen, wenn sie die Pflicht zur Durchführung des Winterdienstes nicht selbst erfüllen. Ihre Verantwortlichkeit für die ordnungsgemäße Durchführung des Winterdienstes entfällt durch die Beauftragung Dritter nicht. (Hervorhebung durch den Verfasser)
Die alte Fassung lautete: § 6 [a. F.] –Übernahme der Straßenreinigungspflicht–
(1) Anstelle des zur Durchführung der ordnungsmäßigen Reinigung verpflichteten Anliegers kann ein anderer diese Verpflichtung übernehmen. Die Verantwortlichkeit des Anliegers nach diesem Gesetz entfällt jedoch nur, wenn die Übernahme der zuständigen Behörde angezeigt worden ist und diese der Übernahme zugestimmt hat. Die Zustimmung gilt als erteilt, wenn die zuständige Behörde nicht innerhalb eines Monats die Zustimmung versagt. Die Zustimmung wird versagt oder widerrufen, wenn eine ordnungsmäßige Reinigung nicht gewährleistet erscheint. Sie ist insbesondere dann zu versagen oder zu widerrufen, wenn die ordnungsmäßige Reinigung wiederholt nicht durchgeführt worden ist.
Das Land Berlin hat im StrReinG Berlin den Anliegern öffentlicher Straßen die Reinigung der Gehwege einschließlich der Schneeräumung übertragen. Nach § 6 Abs. 1 StrReinG Berlin können die zum Winterdienst verpflichteten Anlieger zwar weiterhin durch privatrechtliche Vereinbarungen Dritte mit der Durchführung des Winterdienstes beauftragen. Jedoch entfällt die Verantwortlichkeit der Anlieger für die ordnungsgemäße Durchführung des Winterdienstes nicht.
Inhalt der Entscheidung:
Die derzeitige Winterdienstregelung für öffentliche Gehwege im StrReinG Berlin –mit der Erweiterung der Verantwortlichkeit der Anlieger im Gegensatz zur Vorgängerregelung– ist verfassungsgemäß. Dies stellte der Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin auf die Verfassungsbeschwerde eines Grundstückseigentümers mit Beschluss vom 14.11.2012 klar. Der Verfassungsgerichtshof Berlin hat klargestellt, dass § 6 Absatz 1 StrReinG Berlin mit dem neugefassten Satz 3 so auszulegen ist, dass eine sorgfältige Auswahl eines Beauftragten Dritten und die stichprobenartige Überwachung des Grundstückseigentümers eines mit den Arbeiten beauftragten Dritten ausreichend ist. Die Überwachung ist dabei nicht persönlich vom Grundstückseigentümer zu erfüllen, sondern kann auch an einen zuverlässigen Dritten übertragen werden.
Auswirkung für die Praxis:
Grundstückseigentümer (Anlieger) müssen bei der Übertragung von Winterdienstarbeiten auf Dritte darauf achten, dass sie eine zuverlässige Person/Firma mit den Winterdienstarbeiten beauftragen. Die Verantwortlichkeit für den Beauftragten umfasst hierbei die sorgfältige Auswahl sowie die Überwachung der beauftragten Person. Kommen Grundstückseigentümer ihrer Verantwortlichkeit nicht nach, können seitens des Ordnungsamtes eine kostenpflichtige Ersatzvornahme vorgenommen oder ein Bußgeld gegen den Grundstückseigentümer erlassen werden.