Sozialer Woh­nungs­bau: Bei einem Erlass von Förderungs­dar­lehen durch die Investi­tions­bank Berlin gilt die zehn­jährige Woh­nungsnach­bindungs­frist gemäß § 16 Woh­nungs­bindungs­ge­setz (WoBindG)

Oberver­wal­tungs­gericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 12.01.2012 –OVG 5 B 3.09– www.berlin.de/sen/justiz/gerichte/ovg/ oder www.juris.de

Sachver­halt:

Es geht um einen Eigen­tümer eines mit öffentlichen Mit­teln geförderten Miet­woh­nung­shauses. Seit Ende der 90er Jahre zeigte sich, dass die Mietein­nah­men sowie die Aufwen­dungszuschüsse für das öffentlich geförderte Haus nicht mehr zur Deck­ung der laufenden Aufwen­dun­gen aus­re­ichen wür­den. Zur Abwen­dung einer Insol­venz schlossen der Eigen­tümer und die Investi­tions­bank Berlin (IBB) im Juli 2007 eine Sanierungsvere­in­barung, die u. a. Verzichte auf eine Rück­zahlung der durch die Investi­tions­bank Berlin geleis­teten Förderungs­dar­lehen vorsah.

Im August 2007 beantragte der Eigen­tümer eine Bestä­ti­gung über das Ende der Eigen­schaft „öffentlich gefördert“. Die Investi­tions­bank Berlin teilte dem zuständi­gen Woh­nungsamt auf Nach­frage mit, dass für das Haus nach Abschluss der Sanierungsvere­in­barung der Zeit­punkt der (plan­mäßi­gen) Tilgung der Förderungs­dar­lehen der 31.12.2029 gewe­sen wäre. Daraufhin bestätigte das Bezirk­samt unter Hin­weis auf § 15 Abs. 1 Satz 1 Buch­stabe a) des Woh­nungs­bindungs­ge­set­zes (WoBindG) das Ende der Eigen­schaft „öffentlich gefördert“ für das Grund­stück zum 31.12.2029.

Rechtlicher Hin­ter­grund:

Aus­gangspunkt sind die §§ 15 und 16 des WoBindG
§ 15 WoBindG –Ende der Eigen­schaft “öffentlich gefördert”–

(1) Eine Woh­nung, für die die öffentlichen Mit­tel als Dar­lehen bewil­ligt wor­den sind, gilt, soweit sich aus dem § 16 oder § 17 nichts anderes ergibt, als öffentlich gefördert
a)
im Falle einer Rück­zahlung der Dar­lehen nach Maß­gabe der Tilgungs­be­din­gun­gen bis zum Ablauf des Kalen­der­jahres, in dem die Dar­lehen voll­ständig zurück­gezahlt wor­den sind,(…)

§ 16 WoBindG –Ende der Eigen­schaft “öffentlich gefördert” bei frei­williger vorzeit­iger Rück­zahlung–

(1) Wer­den die für eine Woh­nung als Dar­lehen bewil­ligten öffentlichen Mit­tel ohne rechtliche Verpflich­tung vorzeitig voll­ständig zurück­gezahlt, so gilt die Woh­nung als öffentlich gefördert (…) bis zum Ablauf des zehn­ten Kalen­der­jahres nach dem Jahr der Rück­zahlung, läng­stens jedoch bis zum Ablauf des Kalen­der­jahres, in dem die Dar­lehen nach Maß­gabe der Tilgungs­be­din­gun­gen voll­ständig zurück­gezahlt wären (Nachwirkungsfrist).(…)

§ 18 WoBindG –Bestä­ti­gung–

(1) Die zuständige Stelle hat dem Ver­fü­gungs­berechtigten (Eigen­tümer) und bei berechtigtem Inter­esse auch dem Mieter schriftlich zu bestäti­gen, von welchem Zeit­punkt an die Woh­nung nicht mehr als öffentlich gefördert gilt. Die Bestä­ti­gung ist in tat­säch­licher und rechtlicher Hin­sicht verbindlich. (Ergänzung durch den Verfasser)

Nach § 15 Absatz 1 Satz 1 Buchst. a) WoBindG gel­ten die Woh­nun­gen im Haus im Falle einer Rück­zahlung der Dar­lehen nach Maß­gabe der Tilgungs­be­din­gun­gen bis zum Ablauf des Kalen­der­jahres als öffentlich gefördert, in dem die Dar­lehen voll­ständig zurück­gezahlt wor­den sind.

§ 16 Absatz 1 WoBindG regelt den Fall der vorzeit­i­gen, frei­willi­gen Rück­zahlung von Dar­lehen. Wer­den die Dar­lehen voll­ständig zurück­gezahlt, so gilt die Woh­nung als öffentlich gefördert bis zum Ablauf des zehn­ten Jahres nach dem Jahr der Rück­zahlung, es sei denn, der Zeit­punkt der plan­mäßi­gen Tilgung tritt früher ein.

Inhalt der Entschei­dung:

Das OVG Berlin-Brandenburg entsch­ied, dass im Fall eines Erlasses von Förderungs­dar­lehen durch die För­der­mit­tel­bank, § 16 WoBindG mit seiner zehn­jähri­gen Nach­wirkungs­frist anstelle von § 15 WoBindG mit seiner län­geren Nach­wirkungs­frist anzuwen­den ist. Zur Begrün­dung führt das OVG Berlin-Brandenburg aus, dass die durch den Erlass bewirkte Erfül­lung der Dar­lehenss­chuld weniger den Tatbe­stand der plan­mäßi­gen Tilgung gemäß § 15 WoBindG als dem­jeni­gen einer vorzeit­i­gen Rück­zahlung gemäß § 16 WoBindG zuzuord­nen ist. Bei Anwend­barkeit von § 15 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a) WoBindG bestünde für den Fördernehmer nicht die Möglichkeit, sich von der lang­wieri­gen Miet­preis– und Bele­gungs­bindung vorzeitig zu lösen.

Auswirkung für die Praxis:

Bei einer Sanierungsvere­in­barung zwis­chen einem Fördernehmer und der Investi­tions­bank Berlin, die den (teil­weisen) Erlass von Förderungs­dar­lehen zum Gegen­stand hat, ist der Fördernehmer an einer zehn­jähri­gen Miet­preis– und Bele­gungs­frist gebun­den. Für Sanierungsvere­in­barun­gen zwis­chen einem Fördernehmer und der Investi­tions­bank Berlin nach dem 01.07.2011 gel­ten die Regelun­gen des Wohn­raumge­set­zes Berlin (WoG Berlin). Die Regelun­gen des WoG Berlin kön­nen hier­bei von den­jeni­gen des WoBindG abweichen.